Die "CMG-Lecture on Ancient Medicine" wurde 2009 als Vorlesungsreihe gegründet. Sie hat zum Ziel, ausgewählte Themenbereiche der antiken Medizin und ihre aktuelle Relevanz einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Sie findet einmal jährlich statt.
Mit Hippokrates hat ein praktizierender Arzt zum ersten Mal sein Arbeitsgebiet in Theorie und Praxis in für die Öffentlichkeit zugänglichen Schriften dargelegt. Er hat sich damit in die Verantwortung gestellt. Und in der Tat zeugen die ihm zuzuschreibenden Schriften in hohem Maße von der Verantwortung des Arztes. Das zeigt sich besonders deutlich in dem berühmten Eid, aber auch in den Schriften, die von der natürlichen Ursache aller Krankheiten, von Entdeckung des Patienten als eigenständiger Größe, von der Hinwendung des Arztes zum Menschen unabhängig von Stand und Geschlecht und vom Menschen als Teil der Natur handeln.
Peter Adamson: Ethik als Medizin in der islamischen Welt
Zusammen mit der Philosophie gelangte auch die griechische Medizin in die islamische Welt. Dieser Umstand erklärt, warum zu dieser Zeit so viele führende arabische Philosophen auch ausgebildete Ärzte waren. Als Folge dieser Verflechtung benutzten sie oftmals einen medizinischen Ansatz, wenn sie über Ethik schrieben. Menschliche Laster wurden – dem Ansatz des Mediziners Galen folgend – für eine Krankheit gehalten, während Tugenden als „Gesundheit der Seele“ dargestellt wurden. Im Vortrag wird argumentiert, dass die arabischen Philosophen nicht nur von einer Parallele zwischen Medizin und Ethik ausgingen. Vielmehr hielten sie die Ethik für eine weitere Art von Medizin, die sie als „spirituelle Medizin“ bezeichneten.
Das antike Fachgebiet der Medizin war eine Heimstätte für Überlegungen über Themen, die weit über die Grenzen der Medizin, wie wir sie heute verstehen, hinausgingen, manchmal explizit und manchmal nur implizit. So findet sich zum Beispiel viel Philosophie in den medizinischen Schriften, die uns überliefert sind, oft auf einer sehr abstrakten Ebene. Ziel des Vortrages ist es zu klären, wie antike Ärzte ein bestimmtes Problem mit philosophischer Dimension angingen, nämlich die Frage, welche Art von Wissen Menschen, die einer Praktik nachgehen, meistern müssen, wenn diese Praktik eine genuine Fachwissenschaft sein soll.
Die Chirurgie galt bereits in der Antike als ältester Teilbereich der Medizin; in der homerischen Ilias behandeln Ärzte Verletzungen und (Kriegs-)Verwundungen. Innerhalb des Corpus Hippocraticum finden sich eine Reihe von chirurgischen Traktaten. Galen, der sich selbst als Vollender der hippokratischen Medizin sah, gab erstaunliche Proben seines chirurgischen Könnens. Gleichwohl waren die Möglichkeiten der antiken Chirurgie begrenzt. In den Heilwunderberichten über Asklepios, den wichtigsten Heilgott der Antike, spielten allerdings phantastische Operationen eine wichtige Rolle.
Zum hundertsten Jahrestag des Beginns der Grabungen in Thasos durch die École française d'Athènes präsentiert Jacques Jouanna eine Bilanz der jüngsten archäologischen und philologischen Entdeckungen über die Beziehungen zwischen Hippokrates und der Stadt Thasos.
Eine schriftliche Fassung des Vortrags ist gedruckt erschienen in: Revue des études grecques 127, 2014/1, 29-54.
Das Interesse am Leben Galens von Pergamon schwankte noch stärker als das Ansehen seiner medizinischen Lehren. Die Biographen der Renaissancezeit verzichteten weithin auf die Legendenbildungen ihrer mittelalterlichen Vorgänger; aber erst im späten 19. Jh. begannen nichtmedizinische Gelehrte, sein Leben in einem größeren sozialen Kontext zu erforschen. Neuere Entdeckungen von Texten sowie von epigraphischen und archäologischen Zeugnissen bieten neue Möglichkeiten für eine Rekonstruktion der Galenbiographie.
Viele antike Medizintraditionen schließen systematische Beobachtungen ein und sind in diesem Sinne wissenschaftlich. Der zusätzliche Anspruch, der für die griechische Medizin geltend gemacht werden kann, liegt darin, dass sie sich auch mit epistemologischen und methodologischen Fragen auseinandersetzt. Diese Tatsache lässt sich aus dem besonderen polemischen Kontext, in dem griechische Ärzte arbeiteten, ableiten. Diese Hypothese soll gegen vergleichbare Daten aus China getestet werden.
Wesen und Ausmaß des wissenschaftlichen Experimentierens in der antiken griechischen und römischen Wissenschaft bleiben umstritten. Der Vortrag wird einige der umstritteneren Aspekte herausgreifen und Berichte über verschiedene Tierversuche analysieren, die von griechischen Biologen und Ärzten vom vierten Jh. v. Chr. bis zum zweiten Jh. n. Chr. durchgeführt wurden. Dabei werden die Beweggründe der antiken Wissenschaftler untersucht, der beabsichtigte Zweck ihrer Versuche, ihre Methoden und Resultate und die Auswahl der einheimischen und exotischen Tierarten, an denen die Versuche gemacht wurden. Bedeutsame Veränderungen der sozialen Begleitumstände von Versuchen werden ebenfalls beleuchtet, vor allem der Wandel von einer langen Tradition, solche Experimente nur im privaten Rahmen durchzuführen, hin zu Tierversuchen im öffentlichen Raum, nicht selten vor einer ansehnlichen Zuschauermenge. Schließlich werden auch die ethischen Grenzen und Grenzen anderer Art bei Tierversuchen in der Antike erörtert.
Das Akademienvorhaben „Corpus Medicorum Graecorum / Latinorum“ lädt zur ersten „CMG-lecture on Ancient Medicine“ ein. Die neu gegründete Vorlesungsreihe hat zum Ziel, ausgewählte Themenbereiche der antiken Medizin und ihre aktuelle Relevanz einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Sie wird einmal jährlich stattfinden. Jonathan Barnes' Vortrag wird der engen Beziehung von medizinischen und philosophischen Fragestellungen im Werk von Galen, des für die Nachwelt einflussreichsten antiken Mediziners, gewidmet sein.